Erwartungen eines Fanboys an ... Marvels Phase 2

21.08.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Joss Whedon
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Nach dem großen Erfolg von The Avengers wurde Regisseur Joss Whedon auch für das Sequel verpflichtet. Doch was bedeutet das für Marvel – und für Whedons Karriere?

Mit Marvel’s The Avengers brachte Marvel in diesem Jahr das zu Ende, was Produzent Kevin Feige als „Phase 1“ des Plans, ein gemeinsames Universum für alle Marvel-Kinofranchises zu etablieren, bezeichnete. Bekanntlich war der Film ein Mega-Erfolg, mit einem Einspielergebnis, das lediglich von Avatar – Aufbruch nach Pandora und Titanic von James Cameron überboten wurde sowie fast durch die Bank positiver Resonanz bei Kritikern und Fans (die moviepilot-Community gab im Durchschnitt 8.1 Punkte, Kritiker 7.6; bei Rotten Tomatoes steht der Film sogar bei einem “Fresh”-Rating von 92% ).

Unverzichtbar für diesen Erfolg war The Avengers-Regisseur und -Autor Joss Whedon. Das haben auch die Verantwortlichen bei Marvel verstanden: Wie kürzlich bekannt wurde, verpflichteten sie Whedon nicht nur für Drehbuch und Regie beim für 2015 geplanten Marvel’s The Avengers 2: Age of Ultron, sondern auch für die Entwicklung einer Marvel-TV-Serie im Avengers-Universum. Vor The Avengers 2 erwartet uns aber natürlich eine ganze Reihe anderer Filme im Marvel-Universum – Marvels Phase 2. Welche neuen Herausforderungen Marvel erwarten, welche Rolle Joss Whedon dabei spielen könnte und was das alles für seine Karriere bedeutet – das sind die Fragen, mit denen ich mich heute beschäftigen will.

Die Konsequenzen der Avengers – Was Fans nun von Marvel erwarten
Was in The Avengers seinen vorläufigen Höhepunkt fand, begann vor vier Jahren mit einer Post-Credit-Szene in Iron Man, in der S.H.I.E.L.D.-Direktor Nick Fury zum ersten Mal im Kino mit Tony Stark über die Avengers-Initiative sprach. Die Szene begann eine Tradition für Marvel-Filme und die Post-Credits-Szenen waren, neben der neuen, erst nach den Filmauftritten ins Marvel-Comicuniversum eingeführten Figur des Agent Phil Coulson, der zum Gesicht von S.H.I.E.L.D. im Marvel-Kinouniversum und zum Bindeglied zwischen den verschiedenen Franchises wurde, das wichtigste Instrument für Marvels Vorbereitung auf The Avengers.

Tatsächlich umfasste die Vorbereitung auf The Avengers beinahe ausschließlich diese beiden Elemente. Marvel signalisierte durch die Post-Credits-Szenen, die Integration von S.H.I.E.L.D. und die ein oder andere, im Grunde nur für Fanboys auffällige Referenz zwar, dass die zu Phase 1 gehörenden Filme Teil von etwas Größerem waren, dennoch erzählten sie alle letztlich ihre eigene, von den anderen Filmen unabhängige Geschichte, echte Berührungspunkte untereinander gab es keine. Das reichte auch völlig aus, um den Fans Lust auf das kommende Crossover-Projekt zu machen: Die Idee eines gemeinsamen Universums dieser Größenordnung war im Kino noch so neu, dass man sich über jede kleine Referenz freute.

Doch was damals noch Neuigkeitswert hatte und sich nach willkommenem Fan-Service anfühlte, ist nach The Avengers kaum ausreichend, die Erwartungshaltung zu erfüllen: Nachdem die unterschiedlichen Marvel-Superhelden zum ersten Mal zusammen auf der Leinwand zu sehen waren, gegen einen gemeinsamen Feind kämpften und Beziehungen miteinander aufbauten, wäre es nicht nur eine Enttäuschung, sondern auch schlicht unglaubwürdig, würde Marvel zurückkehren zu den im Grunde doch sauber voneinander getrennten Geschichten, die die einzelnen Franchises vor The Avengers ausmachten. Natürlich wäre es schon rein logistisch problematisch, die einzelnen Avengers in den Filmen der jeweils anderen auftreten zu lassen. Doch irgendwie werden die jeweiligen Autoren und Regisseure vermitteln müssen, dass die Ereignisse aus The Avengers Konsequenzen hatten, dass die Avengers eine Rolle im Leben der jeweils anderen spielen – und gegebenenfalls erklären, warum Iron Man nicht seinen neuen, immer wütenden Buddy Bruce Banner anrufen kann, wenn er Unterstützung im Kampf gegen den Bösewicht der Stunde braucht.

Comic-Fan mit Serien-Erfahrung – Welche Rolle Whedon in Phase 2 spielt
Eine wichtige Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderung könnte Joss Whedon spielen. Tatsächlich wurde Whedon nicht nur für The Avengers 2 und die geplante Marvel-TV-Serie verpflichtet, sondern wird im Rahmen eines 3-Jahres-Vertrags (also während der gesamten Phase 2) seinen kreativen Input zum gesamten Marvel-Kinouniversum beisteuern. Was das praktisch bedeutet, ist offen – vermutlich wird er in erster Linie als Berater zur Verfügung stehen und gelegentlich Drehbücher überarbeiten, wie er es bereits bei Captain America – The First Avenger tat – , doch Whedon für derlei Aufgaben zu verpflichten, war vielleicht die beste Idee, die Kevin Feige (oder wer auch immer sonst für diese Entscheidung verantwortlich ist) je hatte. Whedon hat Erfahrung damit, Figuren und Geschichten in den Kontext eines größeren, mehrere Franchises und sogar Medien umfassenden Universums zu transportieren. Sein „Buffyverse“ umfasst die TV-Serien Buffy – Im Bann der Dämonen und Angel – Jäger der Finsternis sowie die darauf basierenden Comicreihen und gerade die aktuell laufende 9. Buffy-Staffel, die eine Buffy- sowie eine Angel-Reihe umfasst, zeigt, wie sich zwei Franchises gegenseitig beeinflussen und ergänzen können, ohne dass die Protagonisten selbst unbedingt miteinander in Kontakt treten.

Natürlich ist es leichter, eine solche Kontinuität in monatlich parallel erscheinenden Comic-Reihen oder in wöchentlich ausgestrahlten TV-Serien zu etablieren als in einer Handvoll unregelmäßig und teils in großen Abständen voneinander veröffentlichter Kinofilme. Dennoch sollte das Marvel-Kinouniversum merklich davon profitieren, wenn die unterschiedlichen Regisseure und Autoren von Whedon unterstützt werden, nicht nur wegen seiner Erfahrung mit Crossover-Projekten, sondern auch, weil er als Comic-Fan (und -Autor) die Charaktere besser kennt als die meisten und aller Wahrscheinlichkeit nach bereits eine Vorstellung davon hat, in welche Richtung er mit ihnen in The Avengers 2 gehen will.

Zwischen Low-Budget und Blockbuster – Wie es für Whedon weitergeht
So erfreulich Whedons Partnerschaft mit Marvel also für Fans von Comic-Verfilmungen ist, wirft sie doch noch eine andere Frage auf: Wird Whedon neben seiner Arbeit für Marvel überhaupt noch Zeit haben, eigene Ideen zu realisieren? Was bedeutet sein Vertrag mit Marvel beispielsweise für das lang angekündigte Sequel zu Dr. Horrible’s Sing-Along Blog oder seine in Zusammenarbeit mit Warren Ellis kreierte Web-Serie Wastelanders?

Zu beantworten ist diese Frage derzeit sicher noch nicht, doch schauen wir uns an, woran Whedon zwischen dem Produktionsschluss von The Avengers und der Ankündigung seiner fortlaufenden Partnerschaft mit Marvel arbeitete, scheint es zumindest nicht so, als dürften wir in den nächsten Jahren ausschließlich Marvel-Projekte von ihm erwarten: Als „Erholung“ vom The Avengers-Dreh verfilmte er in 12 Tagen Shakespeares Much Ado About Nothing, kurz darauf gründete er mit seiner Frau Kai Cole die Produktionsfirma Bellwether Pictures, unter deren Schirm nach Much Ado About Nothing der ebenfalls von Whedon geschriebene In Your Eyes realisiert werden soll. Auch in Bezug auf Dr. Horrible 2 klang er bei der diesjährigen Comic Con noch äußerst optimistisch.

Gemein ist all diesen Projekten, dass Whedon sie auf eigene Faust und mit relativ geringem Budget realisiert. Obwohl ihm nach dem Erfolg von The Avengers sicher alle Türen offen stehen, scheint er derzeit kein Interesse daran zu haben, seine eigenen Projekte mit der Unterstützung von Hollywood-Studios oder TV-Sendern – und entsprechend höherem Budget – zu realisieren. Auch, wenn ein Fan wohl nicht umhinkommt, sich zu fragen, welche Ideen Whedon mit einem Blockbuster-Budget umsetzen könnte, ist das, nach dem zumindest teilweise durch die Einmischung des Senders bedingten Scheitern von Firefly ‒ Aufbruch der Serenity und Dollhouse, verständlich, deswegen aber nicht weniger bewundernswert: Wenn es um eigene Kreationen geht, scheint es Whedons höchste Priorität zu sein, keine Kompromisse mehr eingehen zu müssen. Wie gut er ist, wenn er so arbeitet, kann man in Dr. Horrible sehen.

Was Whedons derzeitige Karriere-Entscheidungen besonders interessant macht, ist, dass es sich allem Anschein nach nicht um die von so manchem Schauspieler und Regisseur verfolgte „one for me, one for them“-Strategie handelt. Whedon spricht vom Mega-Blockbuster The Avengers mit derselben Leidenschaft wie von seinen kleinen, persönlichen Low-Budget-Projekten. Als Fan erfüllt mich das mit einer gewissen Genugtuung: Derselbe Filmemacher, dessen letzte Serienprojekte trotz einer treuen Fangemeinde nie den gewünschten Erfolg fanden und viel zu früh eingestellt wurden, scheint nun irgendwie gleichzeitig zwei sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen erfreuliche Beweise anzutreten: Dass man nicht auf große Studios angewiesen ist, um Projekte zu realisieren, die einem am Herzen liegen; und dass man auch im Kontext von Blockbuster-Franchises aufregende, intelligente Filme mit eigener Handschrift inszenieren kann.

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